Epigenetik was ist das jetzt?

Sind wir Sklaven unserer Gene oder gibt es Möglichkeiten auf die Entwicklung unseres Körpers und Geistes einzuwirken? Vielleicht ist euch auch schon mal im Bekanntenkreis aufgefallen, daß eineiige Zwillinge sich unterschiedlich entwickeln. Obwohl ihr Erbgut zu 100 % gleich ist, haben wir es mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten zu tun. Sie sind sich zwar ähnlich, aber nicht zu 100 % identisch. Bei ihrer Geburt noch zum verwechseln gleich, entwickeln sie sich im Laufe ihres Lebens mehr und mehr verschieden. Der eine wird zum Musiker, der andere wird Handwerker und betreibt Leistungssport. Nicht jeder der Zwillinge erleidet die gleiche Krankheit oder wird gleich alt.

Unterschiedliches Aussehen bei gleichem Erbgut

Derselbe Genotyp aber nicht der selbe Phänotyp! Also doch nicht nur Genetik? Spätestens seit man das menschliche Genom entschlüsselt und mit dem von Affen verglichen hat, ist die Euphorie der Genetiker einer gewissen Ernüchterung gewichen. Schließlich ähnelt unser Genom zu mehr als 95 % dem der Primaten.

Variationen der Informationsverarbeitung

Es gibt schon seltsame Sachen in der Natur: so haben zum Beispiel die Mitochondrien (Zellorganellen) innerhalb unserer Körperzellen ein etwas anderes (maternales) Genom als die Zellkerne in denselben Zellen. Das Immunsystem meines Sohnes hat ein anderes Genom als die übrigen Zellen seines Körpers, denn er hat nach einer Leukämie Erkrankung Stammzell-Blut von einem Spender erhalten. Die T-Zellen des Immunsystems sind lernfähig und können Informationen speichern (immunologisches Gedächtnis). Die Speicherung der Informationen geschieht aber nicht wie bei den Genen mittels Basenpaaren, sondern aus der Bildung von Gedächtniszellen und anderen Mechanismen.

Fazit: Die Anleitung für die Ausführung von Aktionen kommt nicht immer direkt von den Genen im Zellkern.

Beobachtungen aus der Natur

Jede Larve der Honigbiene kann sich in zwei Richtungen entwickeln:

entweder zu einer Arbeiterin oder zu einer Königin. Die Entwicklung zu einer Königin ist nicht von der Basenabfolge im Erbgut, sondern von den Umweltbedingungen – hier Ernährung mit Gelee Royal- abhängig… und es werden nur dann Bienenlarven mit Gelee-Royal gefüttert, wenn eine Königin gebraucht wird. Über 99% der Larven kommen nicht in den Genuß des hochwertigen Futters -> gemäß dem Motto der Natur: es findet nur der Vorgang statt, der vorrangig benötigt wird.

Folgen der Umwelteinflüsse

Diese Umweltbedingung (hier: Fütterung mit Gelee Royal) verursacht eine Methylierung einiger Cytosin-Basen im Erbgut, eine Modifikation, die dann wiederum den Entwicklungsweg der Biene bestimmt. Der Forschungszweig der sich mit der Modifikation unseres Genoms bzw. den Auswirkungen der Umwelteinflüsse auf unsere Entwicklung beschäftigt nennt man Epigenetik.

Basis

Das Erbgut ist die zu unserer Lebenszeit unveränderliche Basis für den Organismus, dessen Anlagen bei der Befruchtung der Eizelle festgelegt werden. Es ist unsere Grundausstattung und enthält zum Beispiel die Informationen aus welchen Grundbausteinen unsere roten Blutkörperchen zusammengesetzt werden sollen etc.

Umwelteinflüsse und Entwicklung des Individuums

Was dagegen aus uns einmal wird, wie wir aussehen werden (muskulös oder fettleibig), wie oft wir krank werden, unsere Intelligenz und Persönlichkeit, all das unterliegt anderen Einflüssen und genau damit beschäftigt sich die Epigenetik. Das Umfeld in dem wir leben, Kälte, Wärme, Sonnenschein, die Erziehung durch unsere Eltern, die soziale Gruppe… das sind die entscheidenden Faktoren für unser Leben. Das erklärt auch, warum das menschliche Genom sich nur minimal von dem der Menschenaffen unterscheiden muß. Somit wird der Streit darüber, ob eine Erkrankung genetisch bedingt ist oder aus Umwelteinflüssen resultiert, zunehmend unnötig. Die Epigenetik ist quasi das Bindeglied für diese beiden Pole. Die Epigenetik beschäftigt sich damit, wieso und wann die Information auf einem Gen abgelesen werden kann und wann nicht.

Bezug zur Psychosomatik

In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Psychosomatik, welche sich mit dem Einfluss der Psyche auf den Körper beschäftigt, immer mehr an Bedeutung. Mithilfe der Epigenetik können wohl künftig die psychosomatischen Zusammenhänge bei Erkrankungen genauer beschrieben werden und die Bedeutung des Zusammenspiels von Körper und Psyche wird wohl auch von eingefleischten eher konservativ orientierten Naturwissenschaftlern und Medizinern akzeptiert werden müssen.

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