mit der Polarität beginnt das Leben

Am Anfang war das Wort… und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Diese Passage des Johannesevangeliums zur Erscheinung Jesu hat Parallelen mit dem Schöpfungsbericht aus dem Buch Genesis. Es geht um die Menschwerdung des Wortes. Aus dem Wort wird Materie bzw. Fleisch. Oder anders ausgedrückt: Energie wird zu Materie, Leben kann entstehen.

Der Mensch erkannte zunächst lediglich die Zustände keine/wenig Energie und viel Energie. Es waren noch keine Polaritäten vorhanden. Die Materie kann zum Beispiel die Zustände warm oder weniger warm haben. So finden wir in der Physik auch einen Nullpunkt der Wärme (0 Kelvin) und eine Wärme-Skala, die theoretisch bis unendlich geht. „Kalt“ dagegen gibt es in der Physik nicht, auch keine „negative“ Energie.

Beginn des Lebens

Dynamik (Bewegung) kann erst durch Austausch von Energie stattfinden. Leben ist Dynamik, Veränderung. Wir leben und brauchen was zu essen (Energie). Die Energie, die wir brauchen, müssen wir irgend wo hernehmen (wegnehmen). Der Mensch hat mit der Zeit erkannt, dass einige Veränderungen eher zu seinem Vorteil werden, andere zu seinem Nachteil. So nannte er alles – was aus seiner Sicht- eine günstige Wirkung hat G U T und das, was ihm schädlich erschien als B Ö S E. Die Polarität war geboren! Die Einteilung in „gut“ und „böse“ ist dabei rein subjektiv, was für den einen „gut“ ist, kann schon für den anderen „schlecht“ sein.

Entstehung von Gegensätzen

Während das Bakterium emotionslos umherschwimmt und frisst oder gefressen wird, sieht es bei uns Menschen schon anders aus. Wir reagieren mit Gefühlen. Frisst die Hauskatze die lästige Maus in unserer Vorratskammer, ist es eine gute Katze, für Tom und Jerry Fans ist eher die gefräßige Katze die böse. Es geht nicht mehr um viel oder wenig Energie, sondern vielmehr um die Gegensätze: gut für mich/schlecht für mich, fressen oder gefressen werden. Wir lösen uns von der Objektivität (der ganzheitlichen Betrachtungsweise) und entwickeln die subjektive (individuelle) Ansicht.

die Geschlechter

Aus der Polarität nährt sich das Leben. Je nach Anwendungszweck benötigen wir kaltes oder warmes Wasser, die Kelvin-Skala ist uns dabei wurscht. In der Evolution entwickelt sich aus dem Zwitter das Geschlecht männlich und weiblich. Was aus biologischer Sicht zunächst als Nachteil anmutet, zeigt sich dann doch überlegen. Aus der vorübergehenden Vereinigung der Polaritäten Mann und Frau entsteht neues Leben, das Kind. (Anfangs eher neutral wird daraus später ein Junge oder Mädchen) die Erbmerkmale haben sich vermischt. Durch die Sexualität ist die Art anpassungsfähiger geworden, durch die Kombinationsfähigkeit der Gene, ist die geschlechtliche Art gegenüber der ungeschlechtlichen für Umweltveränderungen besser gewappnet. Die Evolution hat schließlich den Menschen hervorgebracht und mit ihm die Fähigkeit zu denken, zu fühlen und zu beurteilen. War die Existenz der Polaritäten anfangs noch wertungsfrei (Katze war einfach Katze und Maus einfach Maus), so wird jetzt durch das Wirken des Menschen die Möglichkeit geschaffen, individuelle Beurteilungen festzulegen. Person A beurteilt die Katze zum Beispiel als gut, Person B als schlecht. Ein und dasselbe Objekt-oder Vorgang-erscheint je nach Blickwinkel als gut oder böse… Und schon haben wir den ersten Konflikt.

positiv und negativ

(Selbst in der Physik wurden die Bezeichnungen willkürlich (und teilweise unbewußt) gewählt. Weil im Kern das gute steckt, hat man die Ladung der Protonen im Atomkern als „positiv“ bezeichnet, während man die Elektronen der Atomschale als „negativ“ umschreibt. Anfang des 20. Jahrhunderts, war man noch der Meinung, daß der elektrische Strom vom positiven zum negativen Pol fließt, von der Vorstellung her die gute Energie müsse von einer „positiven“ Stelle kommen und zur Mangelstelle der „negativen“ fließen, bis man später feststellte, dass negativ geladenen Elektronen im elektrischen Leiter fließen und die kommen vom negativen Pol. Heute fließt in der Physik der Strom von Minus nach Plus, in der Technik dagegen immer noch von Plus nach Minus.)

Wer hat recht? Was ist für uns wichtig?

Wir können eine Hierarchie feststellen, absolute Priorität hat das Individuum, also wir selbst, dann die soziale Gruppe, die Nation, die Menschheit… Als Beispiel: ein Fußballstar spielt in der National-Mannschaft von Brasilien gegen Deutschland. Hier haben wir die Gegensätze Brasilien / Deutschland, es wird hart für den Sieg des Heimatlandes gekämpft. Einige Wochen später spielt derselbe Fußballer aus Brasilien aber wieder bei seinem Bundesliga Club (z.B. Bayern München) in Deutschland gegen den VFB Stuttgart. Jetzt ist nicht mehr Deutschland sein Gegner sondern der VFB Stuttgart. Jetzt kämpft er nicht mehr für sein Land sondern für seinen eigenen Geldbeutel. Tag täglich legen wir für uns fest, wer Gegner, wer Freund, wer gut, wer böse ist. Und je nach Priorität und Situation kann sich unser Urteil ändern. War Speck während des Weltkrieges noch heiß begehrt, ist er heute ein ungesunder Dickmacher. Und so wie wir Dinge und Vorgänge kategorisieren, so teilen wir auch Gedanken / Gefühle in gut und schlecht ein. Heutzutage ist ja positives Denken IN, ich frage mich immer wieder: Was soll denn bloß das “positive Denken“ sein?

Positiv-Wahn

So wie keine Sache -objektiv gesehen- gut oder schlecht ist, so kann das Denken auch nicht gut oder schlecht sein. Vielmehr steckt dahinter wieder ein Konflikt. Im Prinzip sind wir mit uns nicht zufrieden der eine Teil ist „positiv“ der andere „negativ“, wir sind nicht ausgeglichen, keine EINHEIT. Aber jetzt kommen die Coaching-Supermänner ins Spiel, die ja so cool wirken und uns -für bares- verschiedene Techniken anbieten., Um “positiver“ zu werden.

Beispiele

Ich erinnere mich noch an „Frau Dr. Häberlein“, die in den achtziger Jahren jeden Morgen im Süd-West Radio verkündete:“ positiv, positiv sollst du den Tag beginnen…“ Manche haben’s mit Affirmationen:… Ich bin glücklich und zufrieden… Ich bin ausgeglichen… Ich bin voller Liebe… Ich bin attraktiv… Ich bin erfolgreich usw.

Das wirkt ja alles für eine Weile, geht aber nicht in die Tiefe. Nach kurzer Zeit falle ich dann eben wieder in meinen alten Zustand zurück. (Ich habe zwar“ positiv gesprochen“, aber habe ich dabei auch “ positiv“ empfunden?) Wenn ich es nicht schaffe “positiv“ zu denken/fühlen, wie kann ich dann mit einer Affirmation bewirken, dass ich attraktiv, erfolgreich oder zufrieden bin?

In der modernen Business Welt geht es um Erfolg, Gewinne, Wachstum, Gut-Aussehen und Popularität, das äußere eben. NLP ist im Management gefragt. Junge, dynamische, schlagfertige, aufwärtsstrebende Geschäftsmänner/-Frauen und Medien-Stars sind gefragt. “Negatives“ wird verdrängt, persönliche Probleme verschwiegen, Gefühlsregungen unterdrückt. Dem animalischen Anteil wird wenig Platz eingeräumt.

Wir sind aber nicht nur Erfolgs-Menschen, in uns lebt auch noch das Tier und wir haben Emotionen. Manchmal müssen wir aggressiv sein, um uns gegen Konkurenten durchzusetzen. Wenn wir auf der Toilette waren, dann stinkt’s halt, manchmal haben wir einen Scheiß-Tag, sind müde und unausgeschlafen, haben keinen Bock. Es kommt schon mal vor, dass wir uns überfressen, besaufen oder geil wie Nachbar’s Lumpi sind. Manchmal sind wir einfach schwach, depressiv oder versinken in Trauer. Das gehört dazu. Wichtig ist nur, dass wir nicht auf Dauer in einer solchen Phase kleben bleiben! Der “ negative“ Pol, die Schattenseite, gehört zum Leben! Aus der Polarität, dem Wechsel der Gegensätze, wächst die Kreativität, entsteht die Lebensenergie. Ohne Polarität kein Leben! Ziel ist, dass wir die extremen Phasen (Gegensätze) -wenn Sie uns bewusst geworden sind- immer wieder in Richtung Gleichgewicht steuern … bis unser Leben dann irgendwann wieder aus dem (emotionalen) Gleichgewicht gerät… und wir die (polarisierten) Emotionen wieder ausgleichen und sofort…

Das nennt man Leben! Satt essen und warten bis wieder der Hunger kommt, Traurigkeit über einen Verlust zulassen, damit wir uns dann wieder über die Neugeburt eines Kindes freuen können. Im Endeffekt bringt es nichts, diese unangenehmen Gefühle weg zu trainieren, weg zu therapieren oder weg zu meditieren. Auch in der Praktizierung einiger Religionen läuft da vieles schief. Da gibt es einen Gott und einen Teufel  – also eigentlich 2 Götter – obwohl sich diese Religionen als monotheistisch bezeichnen. Ich habe mal einen Märchenfilm gesehen, bei dem am Ende „böse“ Geister und Monster die Helden fast vernichtet hätten. Nachdem die Helden zum Schluss dann doch gesiegt hatten und erschöpft auf dem Boden saßen, erschien Gott. Die Helden beschwerten sich bei Gott: „Du willst Gott sein? Wieso kommst du erst jetzt, die Monster hätten uns fast getötet.“ Da antwortete Gott: “ Ja ich weiß. Das war mein Plan. Ich habe auch das „Böse“ geschaffen, ich bin der allmächtige Gott!

Das göttliche ist vollkommen und existiert in der „Ganzheit“. Wir Mensch bewegen uns in den „Polaritäten“  mit dem Ziel, irgendwann auch vollkommen zu werden. Bis dahin sollte wir uns zunehmend vergegenwärtigen, dass zum ganzen Menschen nicht nur die „positiven“ sondern auch die „negativen“ Anteile mit a l l e n Gefühlen und Gedanken gehören und je mehr wir uns dessen bewußt werden, um so weiter werden wir uns entwickeln.

In uns lebt der ganze Mensch, nicht nur der „positive“!

 

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